Anti-Wahlcomputer-Petition

Ich möchte hier an dieser Stelle einmal Werbung machen für die vom ChaosComputerClub (CCC) initiierte Anti-Wahlcomputer-Petition.

Hintergrund: Auch in Deutschland sollen nach und nach Wahlcomputer die herkömmlichen Stimmzettel und Urnen in den Wahllokalen ablösen, in zahlreichen Wahlbezirken wird dieses sogar schon praktiziert.

Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, denn:

  • Man muß den Wahlcomputern und dem Ergebnis, das sie am Ende einer Wahl verkünden, im wahrsten Sinne des Wortes blind vertrauen. Niemand kann nach einer Wahl mehr nachprüfen, ob das Ergebnis den tatsächlich abgegebenen Stimmen entspricht. Bei normalen Stimmzetteln ist so etwas jederzeit durch erneutes Auszählen möglich, bei einem Wahlcomputer gibt es bestenfalls noch eine Ergebniszahl auf einem Kontrollausdruck.
  • Die Möglichkeiten der Manipulation sind vielfältig. So kann etwa der Hersteller für seine politische Meinung günstige Software ausliefern, oder ein Kanditat, der gewählt werden möchte, die Wahlcomputer im Vorfeld der Wahl problemlos manipulieren. In den Niederlanden, wo Wahlcomputer schon flächendeckend im Einsatz sind, hätte man die Software z.B. auch während des Wahlbetriebs mit wenigen Handgriffen gegen neue austauschen können, und so Wahlcomputer zum Schachspielen bringen, obwohl der Hersteller vorher Stein und Bein geschworen hatte, daß so etwas nicht möglich sei.
  • Niemand überprüft einen einzelnen Wahlcomputer auf Manipulationen oder Produktfehler. Es wird nur ein einziger Muster-Computer einer Funktionsprüfung unterzogen.
  • Die Auszählung einer Wahl vollständig beobachten zu dürfen ist ein im Grundgesetz verankertes demokratisches Grundrecht, das durch Wahlcomputer de facto abgeschafft wird.
  • Dieses ist ein prinzipielles Problem, das niemals durch noch so tolle und technisch ausgefeilte Computer gelöst werden kann, da Wahlen grundsätzlich geheim ablaufen sollen und eine Überprüfung, wie eine konkrete Stimme letztlich gezählt wurde, damit a priori ausgeschlossen ist. Nur ein Stimmzettel und eine Urne garantiert dieses.
  • Wohin die Verwendung von Wahlcomputern führen kann, zeigt auch das Wahl-Chaos, das sich gerade zum wiederholten Male in den USA abspielt. Dieses droht vollkommen unnötigerweise in Zukunft auch uns.

Deshalb möchte ich jede und jeden einladen mitzumachen und die Online-Petition auszufüllen!

(Nicht von der merkwürdigen Domain erschrecken lassen, die ist korrekt, da das Petitions-Projekt auf dem Server einer schottischen Universität gehostet wird.)

Durch die Petition soll eine Anhörung des Themas im Deutschen Bundestag und hoffentlich eine ersatzlose Streichung des § 35 Bundeswahlgesetz (Stimmabgabe mit Wahlgeräten) erreicht werden.

Weiterführende Informationen: Anti-Wahlcomputer-Petition beim CCC, die Chaosradio-Sendung zum Thema, und ein Bericht zu einer Wahlcomputer-Wahl in Cottbus.

11 Antworten Subscribe to comments


  1. Chris

    Über Wahlcomputer kann man streiten, allerdings wird es schon lange fällig endlich über das Web abstimmen zu können. Die Technik ist da und die Bereitschaft der Leute wäre da. Warum also zögern?

    08.11.2006 @ 17:48


  2. Johannes

    Also ich finde, daß man über Wahlcomputer nicht großartig streiten muß, die sind ganz einfach Unfug. Die einzigen Nutznießer sind die Wahlmaschinen-Hersteller und die Wahlleiter, die schon um 18:02 Uhr nach Hause gehen können. Für die Demokratie bringen die nur Nachteile. Und für eine Internet-Wahl dürfe leider ähnliches gelten.

    08.11.2006 @ 18:13


  3. Chris

    Tja… da ist man ganz klar gegen seinen Namensvetter und Projohannes eingestellt. Die Dinger sind schlicht gefährlich und darüber muss sich jeder Iqler über 75 im Klaren sein

    09.11.2006 @ 12:57


  4. Marco

    Typisch deutsche Bedenkenträgerei – das Thema ist schon 1998 von KPMG beackert worden, s.den Link unten. Mir ist eine hohe Wahlbeteiligung und vielleicht ein paar illegal manipulierte Stimmen lieber als 60% Nichtwähleranteil – oder meint ihr, bei diesen 50.01%:49.99% Entscheidungen wär noch sowas wie die Gerechtigkeit des Augenblicks alleinseligmachend? Der beste Schutz sind ein fairer und unkomplizierter Zugang zur Wahl für alle Wähler, GERNE elektronisch, vernünftige Kontrollmechanismen der Abläufe (PIN/TAN?, unabhängige Institutionen) und letztendlich deutliche Wählerentscheidungen, also keine Kopf-an-Kopf Glückssache-Rennen.

    Wahrscheinlich gab es ähnliche Widerstände auch bei Einführung der Briefwahl. Ich selbst habe noch NIE in irgend so einer komischen Wahlkabine meine Stimme abgegeben und meine freie Zeit am Sonntag geopfert. Wer weiß, was der Postbote so treibt, aber die Vorstellung bereitet mir kaum schlaflose Nächte – überschätzt doch euer einsames Stimmchen nicht in seiner Bedeutung.

    Hier also die Studie:
    http://www.elections.ca/loi/vot/votingprocess_e.pdf

    Und wenn ihr mit neuen Technologien so Probleme habt, stellen die Boys von Election.ca auf Anfrage auch ein paar Wahlbeobachter für sich entwickelnde Demokratien. Schließlich haben sich doch auch die alten Athener 417 v.Chr. durchgerungen, die Idee des Scherbengerichtes zu verwerfen und die Demokratie dadurch eher weiterentwickelt. Immerhin hat man 2424 Jahre später die FREIHEIT, ganz anonym zu wählen, was gefällt. Warum also nicht auch bald vom Händy aus dem Urlaubsort?

    09.11.2006 @ 21:19


  5. Chris

    IQ

    09.11.2006 @ 22:13


  6. Chris

    Wo ist mein Kommentar hin?

    09.11.2006 @ 22:13


  7. Johannes

    Also ich könnte mir auch Modernisierungen vorstellen, z.B. duale Systeme, wo neben der elektronischen Stimmabgabe auch noch ein Ausdruck oder eine Lochkarte aus dem System fällt, die der Bürger dann kontrolliert und in eine Urne wirft. Diese werden dann mit zufälligen Stichproben gegen das elektronische Ergebnis geprüft.

    Man muß sich aber auch einmal die gängige Praxis anschauen: In den Niederlanden z.B. ist die Computerwahl eine komplette Dienstleistung. Die Dienstleistungsfirma (Nedap, soweit ich weiß) bringt morgens die Geräte ins Wahllokal, die Geräte gehen ungeprüft in Betrieb, die Dienstleistungsfirma liest abends die Geräte aus, und die Dienstleistungsfirma verkündet das Wahlergebnis. Das sollte bedenklich stimmen.

    Oder auch bei uns: Die Geräte stehen wochenlang unkontrolliert irgendwo rum und gehen ungeprüft zur Wahl, da braucht man doch nicht viel Phantasie, um die zu manipulieren.

    Zur Stimmabgabe über Computer/Handy: Sicherlich könnte man da brauchbare Systeme entwerfen, mit Verschlüsselung, TANs, zertifizierten und beobachteten Servern etc. Aber das wird dann wieder hinreichend kompliziert, so daß ich die Realisierung der öffentlichen Hand nicht zutraue. Man schaue sich z.B. mal alle größeren Software-Projekte der letzten Jahre an: Von Arbeitsamts-Webseite bis Finanzamts-Software waren das durchweg reine Katastrophen und Millionengräber, und selbst bei dieser eigentlich simplen Petitions-Website hat man es hinbekommen, daß die auf einer UK-Domain liegt und nicht mehr als 20.000 Votes pro Petition darstellen kann. So etwas möchte ich nicht. Oder wie heißt ein Leitsatz in der Software-Entwicklung: „Make it simple, make it fast“. Papier und Bleistift schlagen sich da nicht schlecht.

    10.11.2006 @ 10:10


  8. Chris

    Keine Wahlautomaten, okay. Wenn ich schon ins Wahllokal gehe, dann kann ich es auch „simple and stupid“ machen und mein Kreuzchen mit Belistif setzen. Um aber endlich mehr Leute zur Wahl zu bringen sollte man sich unbedingt Gedanken zu päsenzlosen und einfachen Wahlverfahren machen. Klar gibt es die Briefwahl, aber auch hier bedarf es an Planung und Beantragung der Unterlagen.
    Wir brauchen eine digitale ID für alle interessierten Bürger und darauf aufbauend eine ganze Reihe von Anwendungen. PRO BÜRGER!

    PS: Wer behauptet, dass Elster nicht funktioniert und ein Millionengrab darstellt?

    10.11.2006 @ 10:17


  9. Johannes

    Elster meinte ich nicht (das funktioniert ja), sondern Fiscus.

    Bei amtlichen digitalen Signaturen wäre ich aber auch sofort dabei, die würden vieles einfacher machen, indem man z.B. rechtsgültige E-Mails versenden könnte. Bei der Post kann man sich soweit ich weiß gegen Gebühr auch Signaturen beglaubigen lassen, aber die sind nicht überall anerkannt und daher nicht besonders nützlich. (Ich bin in dem Thema gerade aber auch nicht so drin…) Oder es gibt das natürlich nicht amtlich anerkannte Thawte Web of Trust.
    Insgesamt ist das Thema digitale Signaturen und Verschlüsselung aber technisch (noch) nicht besonders DAU-tauglich, sonst würde das ja schon längst im E-Mail-Verkehr gängig sein.

    10.11.2006 @ 10:47


  10. Chris

    Das von Johannes erwähnte „duale Prinzip“ wird in mäßig praktikabler Form auch in einigen der schlaueren Staaten der Amis angewendet. Das kann ich mir professionalisiert und durchaus auch mehr elektronisch auch hier vorstellen. Kontrolle durch den Wähler und unabhängige etwaige nachzählerei muss aber möglich sein. Da ist ein Vergleich mit der Briefwahl müssig.

    10.11.2006 @ 12:56


  11. Marco

    Nun ja nicht-validierte Software benutzt und keine regelmäßigen Audits durchführt, ist wohl selbst schuld.
    Sowas ist doch heutzutage doch eigentlich GXP-Praxis und sollte auch für Good Governance Practice in jeder Industrienation Standard sein.

    10.11.2006 @ 22:05


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