Eingetaucht in den medialen Wahnsinn

Nach einer längeren Zeit der Inaktivität konnte ich es in den letzen Tagen und Wochen unwiderlegbar feststellen: Anzahl und Größe fieser kleiner Currywurst-Pommes-Mayo-Fettröllchen um die Hüften herum stehen in einem direkt antiproportionalen Verhältnis zu Anzahl und Länge geleisteter Trainingseinheiten in einem Fitness-Studio.
Um ersteren also Einhalt zu gebieten, so die mathematische Gleichung, muß man letztere kultivieren. Heute war es mal wieder so weit.

Ich also rein in das Fitness-Studio und die Trainingsklamotten, und rauf auf das Laufband.

Zwar komme ich mir auf einem Laufband immer ein wenig blöd vor, so wie ein Hamster in einem Laufrad, andererseits macht Laufen Spaß, und im Winter abends um 10 bei Regen und Kälte irgendwo durch die Pampa zu joggen ist auch nicht die verlockendste Alternative.

Das mit dem Hamster und dem Laufband kann ich also noch verschmerzen, hingegen ist mir heute eine ganz andere Sache aufgefallen, die jeder, der mal ein halbwegs modernes Fitness-Studio von Innen gesehen hat, bestätigen können wird: Sämtliche Fitness-Geräte – außer diesen richtigen Bodybuilding-Maschinen im anderen Raum – sind kreisförmig um eine breite Front aus hochmodernen Flachbildfernsehern angeordnet, auf denen permanent parallel sieben oder acht verschiedene Fernsehprogramme vor sich hinlaufen. Und jeder, der eines der Fitnessgeräte benutzt ist dank der direkten Ausrichtung auf diese Fernseher zum Zwangsfernsehen verurteilt, ob man sich nun einen Kopfhörer zum Anhören der Programme mitbringt oder nicht. Wegsehen: zwecklos.

Und erstaunlicherweise empfinde ich so etwas schon nach einer vierteljährigen freiwilligen TV-Abstinenz, die vielleicht maximal einmal durch Drei Nüsse für Aschenbrödel am Weihnachtsmorgen bei meinen Eltern unterbrochen wurde, als eine widersinnige, nicht mehr zu ertragende Bilderflut.

Und was es dort nicht alles zu sehen gab!

  • 1. Kanal: Viva-Klingelton-Dauerwerbesendung. Dieser Fernseher war Gott sei Dank weitestgehend von einem Betonpfeiler verdeckt, trotzdem konnte ich einen kurzen Blick auf dieses Küken werfen, das nach Klagen meiner Arbeitskollegen nun schon seit einiger Zeit die Bundesrepublik terrorisiert, und das Schnappi-Krokodil, von dem sogar schon beim Spiegel-Online zu lesen war. Schier Unglaubliches habe ich da wohl bisher verpaßt!
  • 2. Kanal: eine Karnevalssendung auf RTL. Wenn man das, wie ich ohne Kopfhörer, nur sieht und nicht hört, dann ist das ein gar unglaublich blödes Theater, was sich einem da bietet. Sinnbefreit schunkeln Menschen in doofen Kostümen ausgelassen umher, zwischendrin Nadja Abdel Farrag und weitere deutsche B- und C-Prominenz, und vorn auf der Bühne bieten die beim Singen grimassenschneidenden Höhner wahrscheinlich mehr unfreiwillige Eigenkomik als gewollte.
    Weiterhin: Wie ich in einem Selbstversuch in einem Möbelhaus letztes Jahr feststellen konnte, ist das Tragen bspw. einer Elvis-Sonnenbrille mit angeklebten Koteletten ungefähr zwei Minuten lang lustig, nämlich genau solange, bis jeder der anwesenden Personen einmal diese Brille getragen hat und ein Foto davon gemacht wurde. Wie man damit eine ganze Sendung füllen kann, ist mir unverständlich. Aber ich verstehe ja auch keine besoffenen Massenverbrüderungen mit Menschen, mit denen ich sonst nichts zu tun hab zu Karneval.
    Trotzdem fand ich es eine gelungene Idee von RTL, die Ausstrahlung dieser Karnevalssendung auf den 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zu legen. Wirklich sehr gelungen.
  • Dieser Themenkomplex wurde nämlich direkt daneben mit einem Holocaust-Film auf arte (richtig gelesen: arte im Bodybuilding-Studio!) abgehandelt. Zwischendrin immer wieder Originalbilder von ausgemergelten halbtoten KZ-Häftlingen, nackte, nur noch aus Haut und Knochen bestehende Leichenberge. Kontrastprogramm zur Sinnfrei-und-Spaß-dabei-Gesellschaft auf RTL.
  • Um diesen Kontrast noch weiter zu steigern, lief noch ein Gerät weiter auf MTV eine US-Importsendung mit Bodybuildern, die Probleme beim Kalorienzählen hatten, und Möchtegern-Fotomodels, Pardon, „angehenden Schauspielerinnen“ mit gr0ßen Nasen, die von dicken Sabber-Säcken, Pardon, einer Jury, dabei fotografiert wurden, wie sie eine Treppe runtergehen.
    Zwischendrin: immer wieder dieses Küken, man kann es auch auch für EUR 3,99 als „Handy-Logo“ kaufen, das ist dann richtig schön grobpixelig, wäre von mir selbst kaum so hinzubekommen, und es ist, man glaubt es kaum, eine echte 1-zu-1-Kopie des seligen Tamagotchi-Küken, das vor einigen Jahren mal so populär war. Ich schwör ey, Alten!
  • Auf den weitere Fernsehern: ZDF Fußball, irgendwer gegen irgendwen, und nochmal RTL und Viva.

Das war sie also, meine kleine Fernsehstunde. Ab Kilometer 7 auf dem Laufband konnte ich aufgrund von fiese-kleine-fettröllchenbedingen Konditionsproblemen eh nicht mehr richtig folgen, was sich bis Kilometer 10 auch nicht wesentlich besserte.

Verpasse ich etwas ohne Fernseher? Wohl kaum. Stattdessen werde ich jetzt erstmal diesen Bilderwahn schlafend verarbeiten, Menschen, die unvermittelt in eine Zivilisation geworfen werden, haben mein Mitgefühl. Gute Nacht! ;-)

Und zum Einschlafen gibt’s jetzt noch das neue Mercedes-Benz Mixed-Tape 5.

7 Antworten Subscribe to comments


  1. Arkadius

    Fernsehen ist super! Aber die privaten Sender sind grauenvoll. Da gebe ich dir Recht. Deine Speckröllchen sind aber mindestens genauso schlimm. Du bist schon fast ein zweiter Dirk Bach. Halt nur größer.

    26.01.2005 @ 15:31


  2. Johannes

    Boah! Das war jetzt fies! Ich bin nicht wie Dirk Bach! ;-)
    Wobei dieser wirklich sehr nett ist, wie ich einmal vor etlichen Jahren bei einer Pizza persönlich erfahren durfte…

    26.01.2005 @ 15:43


  3. Arkadius

    Jetzt geht das wieder los. Johannes und Dirk Bach bei einer Pizza….

    26.01.2005 @ 15:51


  4. Johannes

    Du bist ja nur neidisch!

    26.01.2005 @ 15:54


  5. Arkadius

    Auf einen Fußball mit Füßen oder auf deine Speckröllchen????:-)

    26.01.2005 @ 17:38


  6. Johannes

    Oh oh, Vorsicht, Vorsicht, Herr Haiduk! Das ist gaaanz dünnes Eis, auf dem sie sich da bewegen! :-)

    26.01.2005 @ 21:15


  7. arkadius

    Na immerhin kann ich mich noch auf ganz dünnem Eis bewegen, Herr Bach Speckröllchen Lietz:-)

    27.01.2005 @ 11:16


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