Bis gestern gab es hier noch die zwei T-Shirts mit der Aufschrift „Abgemahnt!“ und einer Verlinkung zu meinem Spreadshirt-Shop — eine Idee, wie sie gelegentlich schon mal unter morgens unter der Dusche habe, vielleicht etwas blödsinnig, aber prinzipiell doch eigentlich harmlos.
Eigentlich. Denn:
Gestern abend war ich nämlich noch etwas im Internet unterwegs zum Thema „Abmahnungen“, und stoße dabei auf einen Forumsbeitrag, in dem jemand berichtet, er sei vom einschlägig bekannten Münchner Rechtsanwalt Bernhard S. wegen der Verwendung der Begriffe „Klingeltöne“ und „de“ im HTML-Meta-Tag seiner Seite markenrechlich auf einen deutlich 6-stelligen Streitwert nebst Schadensersatzansprüchen abgemahnt worden. (Angeblich auch genau 3 Tage, nachdem die Marke „Klingeltöne.de“ als solche eingetragen worden war.)
Mmmh, denke ich, da schaust du doch auch mal selbst beim Deutschen Patent- und Markenamt vorbei und recherchierst, ob nicht irgendjemand eine Marke auf den Namen „Dada“ o.ä. angemeldet hat. Man weiß ja nie. Und tatsächlich, „Dada“ ist eine eingetragene Wortmarke, und zwar für was? Rrrrichtig, u.a. für T-Shirts.
Verdammt, denke ich, da könnte der Inhaber der Marke ja spontan auf die Idee kommen, mir eine Abmahnung wegen der „Geschäftsmäßigen Verwendung der Marke ‚Dada‘ zum Verkauf von T-Shirts“ zukommen zu lassen. Was in dem Fall vielleicht sogar noch rein rechtlich nicht von der Hand zu weisen wäre, auch wenn der reißende Absatz meiner super „Abgemahnt!“-T-Shirts so ungefähr bei Null liegt.
Und abwegig wäre das auch nicht, denn gerade dies hat der Markeninhaber wohl gerade gemacht, wie man der Presseerklärung dieses Züricher Kunstvereins für dadaistische Kunst entnehmen kann – nebst der angedrohten Beschlagnahme von 20 handarbeitlich in Togo zur Kunstaustellung piratisierten Dada-T-Shirts. Weitere Infos hier und hier.
Deswegen distanziere ich mich hiermit ausdrücklich davon, jemals auch nur auf die Idee gekommen zu sein, auf meiner Domain „dadabase.de“ ein T-Shirt verkaufen zu wollen. Auch mein Spreadshirt-Shop soll fortan den unverfänglichen Namen „T-Shirt-Shop“ tragen.
Und so langsam kann man sich tatsächlich fragen, ob man nicht wirklich für den Ausdruck jeder noch so unsinnigen Idee in der Öffentlichkeit eine vorherige anwaltliche Beratung braucht — und ob eine Meinung zu haben nicht doch wieder eine Frage des Geldbeutels wird.
Weiter im Abmahnwahn | nervend | XSBlog2.0beta
[…] Angesichts solcher Berichte fragt man sich inzwischen tatsächlich, ob sich derzeit nicht ein neues Geschäftsmodell für Patent- und Rechtsanwälte entwickelt. Kaum noch ein Beitrag, den man ruhigen Gewissens postet. Sei es, weil sich irgend jemand angep**st fühlen könnte, sei es, weil man vielleicht versehentlich den einen oder anderen Markennamen verwendet. In Kombination mit einer Adsense-Einblendung im Blog kann dies ganz fix mal als kommerzielle Verwendung einer geschützten Marke deklariert werden. […]
01.09.2006 @ 07:17
Arkadius
Lass doch einfach den Scheiß und halt dich mit deinen Meinungen ein wenig zurück. Man du postest ja alles raus. Da brauchst du dich nicht zu wundern, das du Ärger kriegst.
Schönen Gruß
03.09.2006 @ 13:14
Marco
Dass sich da bereits seit einigen Jahren ein Geschäftsmodell entwickelt, ist doch allzu offensichtlich. Mir fehlt zwar ein Vergleich zu früher, aber anwaltlichen Dienstleistungen im allgemeinen stehe ich zunehmend kritischer gegenüber. Viele Anwälte kennen nichtmals mehr die Essentials der Gesetzgebung und berechnen ihre „Beratungen“ dann noch mit utopischen Stundensätzen, natürlich grundsätzlich ohne vorherige Absprache mit evtl. vorhandenen Rechtsschutzversicherungen. Diese zahlen ja in der Regel auch nur im Erfolgsfall. Die mir bekannten Beispiele sind aus dem Sozial-, Verwaltungs-, Eigentums- und Verkehrsrechtsbereich und allenfalls indikativ – ich respektiere jeden, der von erfreulicheren Standards berichten kann, ich kann es leider nicht.
Da ist es nur allzu verständlich, dass sich viele Anwaltskanzleien mit eher überschaubaren und lukrativen Fällen wie Markenrechtsverletzungen und Abmahnungen lieber beschäftigen als mit anspruchsvollen und komplexen Zusammenhängen, die so manchen Anwalt scheinbar überfordern.
Hinzu kommt eine Mentalität, die gerade in Deutschland zunehmend ausgeprägter wird. Selbst auf einer von mir abonnierten offenen Mailingliste drohen sich die Leute mit dem Anwalt, so dass man jede Äußerung eigentlich auf die Goldwaage legen müßte. Gerade bei den vielzitierten Nachbarschaftstreitigkeiten geht der Deutsche ja lieber zum Anwalt als ein klärendes Gespräch unter vernünftigen Leuten zu suchen, was nach dem Gang zum Anwalt erst recht verbaut ist.
Wenn wir jetzt alle Arkadius Vorschlag beherzigen und aus Angst vor Repressionen unsere Meinung schön immer für uns behalten, haben wir irgendwann das gleiche Demokratieverständnis wie etwa in Äquatorial-Guinea erreicht. Meinungsfreiheit und freier Journalismus, wozu ich ausdrücklich Blogs dazuzählen möchte, sind wichtige Korrektiva unserer Gesellschaft. Ich persönlich fände eine deutliche (zwangs-freiwillige?) Einschränkung in diesem Bereich bedenklich. Nicht verrückt machen lassen, J.!
03.09.2006 @ 19:44
Johannes
Sehe ich ähnlich. Wo kämen wir denn hin, wenn jede (gerechtfertigte) Meinungsäußerung, die irgendwem nicht paßt, sinnlos abgemahnt werden kann.
Beispiel:
Du schreibst unbekümmert in dein Blog: „Die Bayern haben gestern scheiße gespielt.“ Und drei Tage später hast du ein Anwaltsschreiben in deinem Briefkasten, du hättest irgendwelche Rechte und Interessen der FC Bayern München AG in erheblichem Maße verleumderisch oder wie auch immer gestört und verletzt, mit Unterlassungserklärung, einem Streitwert von 150.000 Euro, möglicherweise einer Schadensersatzforderung für entgangene Eintrittskartenverkäufe, und einer Anwaltsrechnung von ein paar tausend Euro.
Und bei der heutigen quasi umgekehrten Beweislast bei Abmahnungen ist es dann an dir, nachzuweisen, daß deine Aussage nicht verleumderisch o.ä. war und der FC Bayern München AG kein Schaden durch deine Aussage entstanden ist etc.
So sieht’s halt aus mit der momentanen Rechtslage, und treffen kann es quasi jeden, der ein wenig mehr verlautbart als Katzenbildchen und allgemeine Befindlichkeiten. Und daher sollte man unbedingt dagegen angehen.
04.09.2006 @ 14:55
Johannes
Ein schönes und reales Beispiel gibt’s auch hier: Wenn jetzt irgendjemand bei „Holme’s Place“ Berichte über gebrauchte Slipeinlagen in Damen-Umkleidekabinen unlustig fände, dann könnte die Elli ganz schnell Post vom Anwalt bekommen.
Daß sie mit ihrer Aussage höchstwahrscheinlich recht hat, wäre dann evtl. nur noch sekundär wichtig. Denn die Streitwerte werden dann gleich so hoch gewählt, daß man sich als Abgemahnter überlegen kann, ob man z.B. die 1000 € für die Abmahnung „schluckt“, oder ob man sich auf einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang einläßt, der dann für Privatpersonen astronomische Kosten verursachen kann. Und der Abmahnende geht nur geringes Risiko ein, da maximal das Sitzenbleiben auf den eigenen Anwaltskosten droht oder in selteneren Fällen eine negative Feststellungsklage – man kann es also einfach mal probieren und versuchen, Mitbürger mit unliebsamen Meinungen mundtot zu machen.
Das ist halt das Unding bei den Abmahnungen und verdient es, bekämpft zu werden.
04.09.2006 @ 22:08
Jim
Ich würde mir da mehr Sorgen wegen der Marke „BASE“ machen.
DIe haben sicher auch deutlich mehr Kohle in der Tasche.
09.08.2010 @ 17:03